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Heft 8: Kleinskalige klimatisch-lufthygienische Untersuchungen für das Gebiet A der Planung "Stuttgart 21" - Entwürfe Jodry und Trojan -


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Zusammenfassung
 
Die städtebaulichen Planungen im Zusammenhang mit dem Projekt STUTTGART 21 werden durch eine Vielzahl von Umweltuntersuchungen und -erhebungen vorbereitet und gutachtlich begleitet. Im Rahmen des vorliegenden Gutachtens sind für den Bereich des heutigen Wagengutbahnhofs nördlich des Hauptbahnhofs, welcher durch die Heilbronner Straße (B 27/B 10), die Wolframstraße und den Mittleren Schloßgarten bzw. die Cannstatter Straße begrenzt wird (Teilgebiet A), Aussagen erarbeitet zu den Themen Windkomfort und Durchlüftung, Lufthygienische Verhältnisse, Bioklimatische Verhältnisse sowie Beschattungsverhältnisse im Bereich der geplanten wie auch der angrenzenden bestehenden Bebauung.
 
Diese Betrachtungen wurden sowohl für die Planungsvarianten als auch für die derzeitige Bebauungssituation, den sogenannten Istzustand, durchgeführt. Der Vergleich der Ergebnisse bringt Auskunft über die durch künftige Bebauung zu erwartenden Änderungen. Als näher zu untersuchende Planungsvarianten standen für die vorliegende Studie die Entwürfe von
- Jodry, Paris, nachfolgend mit Entwurf Jodry bezeichnet sowie
- Trojan, Trojan und Neu, Darmstadt, nachfolgend als Entwurf Trojan gekennzeichnet
zur Diskussion.
 
 
Windströmungen
 
Die geplanten Bebauungen führen zu Änderungen bei den Windströmungen. Dabei werden vorwiegend in Bereichen höherer Bebauung die Windgeschwindigkeiten erhöht, u.U. verbunden mit eingeschränktem Windkomfort; anderseits kann eine massiv flächige Bebauung in Teilbereichen auch zu einer Reduktion der Windgeschwindigkeit führen und somit die Durchlüftungsverhältnisse reduzieren. Beide Veränderungen der Windströmungen können zu Nutzungseinschränkungen führen.
 
Die Untersuchung der Windströmungen wurde vorwiegend im Windkanal durchgeführt, wobei sowohl für den Istzustand als auch für die beiden Planungsvarianten jeweils mittels Sandersionsversuchen ein flächenhafter Überblick gewonnen und mittels Hitzdrahtmessungen die Windverhältnisse an kritischen Punkten quantifiziert wurden. Bei Fragen der Durchlüftung wurden diese Ergebnisse ergänzt durch Erkenntnisse aus den numerischen Berechnungen.
 
Bei beiden Planvarianten wurden die höchsten Windgeschwindigkeiten im Bereich des bestehenden Bankenareals sowie im Bereich des Geno-Hochhauses ermittelt. Im Plangebiet selbst ergaben sich bei beiden Entwürfen die höchsten Werte an der östlichen Flanke.
 
Die Planungsvariante Jodry zeigt vor allem nordöstlich des bestehenden Bankenareals sowie im nördlichen Bereich des Untersuchungsareals erhöhte Windgeschwindigkeiten, die zu entsprechenden Nutzungseinschränkungen, wie z.B. ungeeignet für Sitz- und Wartebereiche, führen.
 
Der Entwurf Trojan liefert neben den erhöhten Werten im östlichen Untersuchungsteil vor allen Dingen in der Umgebung der beiden geplanten höheren Gebäude nördlich des bestehenden Bankenareals höhere Windgeschwindigkeiten. In diesen Bereichen ist ebenfalls mit Nutzungseinschränkungen wie bei der Planvariante Jodry zu rechnen.
 
Der zweite Aspekt der Windströmungen betrifft die Durchlüftung. Aufgrund der geplanten Bebauung wird die Durchlüftung erwartungsgemäß gegenüber der derzeit nur leicht bebauten Fläche stark reduziert. Bei beiden Entwürfen sind die äußeren Teile der Plangebiete gut durchlüftet. In den ermittelten Zonen reduzierter Durchlüftung sollten Freisetzungen von Luftverunreinigungen, wie z.B. Abluftöffnungen von Tiefgaragen möglichst vermieden bzw. reduziert werden.
 
Der Entwurf Jodry liefert aufgrund der weniger stark ausgeprägten Innenhofbereiche eine verglichen mit dem Entwurf Trojan bessere Durchlüftung einzelner Quartiere. Die Lücken in der Randbebauung und die unterschiedlichen Gebäudehöhen induzieren entsprechende Strömungen und eine erhöhte Turbulenz. Demgegenüber ist die Durchlüftung der Innenhöfe beim Entwurf Trojan stark reduziert, die verglichen mit dem Entwurf Jodry reduzierte Varianz der Gebäudehöhen bewirkt reduzierten Turbulenzeintrag und somit reduzierte Durchlüftung.
 
 
Lufthygiene
 
Die lufthygienischen Auswirkungen der städtebaulichen Planungen wurden in Bezug auf straßenverkehrsbedingte Schadstoffe untersucht. Dazu wurden mit Hilfe des mikroskaligen Strömungs- und Ausbreitungsmodells MISKAM flächendeckend Jahreskennwerte (Mittelwert und 98-Perzentil) der Belastung an NO2, Benzol und Dieselruß berechnet. Das Untersuchungsgebiet enthält das Planungsgebiet A sowie die nähere Umgebung der Heilbronner Straße, der Wolframstraße und des Arnulf-Klett-Platzes. Neben den Gebäuden wurde auch die komplexe Topographie des Untersuchungsgebietes berücksichtigt. In einer Kalibrierungsphase wurden ausgewählte Experimente aus der parallel durchgeführten Windkanaluntersuchung mit MISKAM nachgerechnet und die Ergebnisse (normierte Konzentrationen) zwischen Windkanal- und numerischem Modell verglichen. Durch die Variation verschiedener Steuerparameter des Modells MISKAM wurden die im Sinne des oben genannten Vergleichs optimalen Modellparameter ermittelt. Diese Parameter wurden in den im folgenden beschriebenen Immissionsrechnungen verwendet.
 
Mit Hilfe der Verkehrszahlen sowie den vom Umweltbundesamt (UBA) veröffentlichten Kfz-Emissionsfaktoren wurden für die Heilbronner Straße, die Wolframstraße und den Arnulf-Klett-Platz Emissionen der Schadstoffe NOx, Benzol und Ruß für das Bezugsjahr 1995 bestimmt. Aus den mit diesem Modell durchgeführten Rechenläufen konnten statistische Jahreskennwerte der durch den Straßenverkehr im Untersuchungsgebiet verursachten Schadstoffbelastung für den Istzustand und die zwei Planvarianten berechnet werden. Durch Überlagerung dieser Belastung mit Immissionswerten aus größerskaligen Rechnungen, die alle immissionsrelevanten Straßen in Stuttgart berücksichtigen, ergab sich ein detailliertes Bild der verkehrsbedingten Gesamtbelastung im Untersuchungsgebiet.
 
Für alle Bebauungsvarianten zeigte sich, daß in der näheren Umgebung der drei betrachteten Straßen hohe Schadstoffbelastungen vorherrschen. Am stärksten belastet ist die Heilbronner Straße und die Kreuzung Heilbronner Straße/Arnulf-Klett-Platz. Hier kommt es an einzelnen angrenzenden Gebäuden zu Ãœberschreitungen des Orientierungswertes der 23. BImSchV von 10 µg Benzol/m3. Etwas weniger kritisch in Bezug auf den Orientierungswert der 23. BImSchV sind die Rußbelastungen: Der Orientierungswert von 8 Âµg Ruß/m3 wird am höchstbelasteten Gebäude nicht erreicht. Auch der Jahresmittelwert der Stickstoffdioxidkonzentrationen lag unter dem Grenzwert der TA Luft von 80 Âµg NO2/m3. Ãœberschreitungen sind nur direkt im Straßenraum anzutreffen. Ähnliches gilt für den Kurzzeitbelastungswert für NO2: Der Orientierungswert der 23. BImSchV von 160 Âµg NO2/m3 wird nur vereinzelt im Straßenraum überschritten.
 
Der Variantenvergleich zeigt im Bezug auf die Lufthygiene im Bereich des Arnulf-Klett-Platzes nur sehr geringe Unterschiede in den Schadstoffkonzentrationen. Einzig bei der Variante "Jodry" sind im Bereich des geplanten Hochhausturms auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz geringere Konzentration zu verzeichnen. Auch entlang der Heilbronner Straße ergeben sich nur vereinzelt Unterschiede in den berechneten Konzentrationen zwischen den drei Bebauungsvarianten. Auf dem Gelände des Geno-Hochhauses wurden die stärksten Änderungen (Konzentrationserhöhungen) durch die geplante Bebauung ermittelt. Im Bereich der Wolframstraße, insbesondere auf dem etwa 200 m langen Teilstück nordwestlich der Einmündung der Nordbahnhofstraße, sind größere Unterschiede zwischen den Varianten zu erwarten. Bei den Planvarianten sind in diesem Bereich im Vergleich zum Istzustand mit geringeren Konzentrationen zu rechnen. Außerhalb der betrachteten Straßenbereiche sind die Änderungen durch die geplante Bebauung gering. Im Bereich der Cannstatter Straße werden die Schadstoffbelastungen bei den Planvarianten geringer, da beide Planungen die Entfernung der Cannstatter Straße als Verkehrsfläche vorsehen.
 
 
Bioklima
 
Für den Istzustand, den Entwurf Jodry und den Entwurf Trojan wurden die Wind-, Temperatur- und Bioklimaverhältnisse für eine sommerliche Strahlungswetterlage mit niedrigen Windgeschwindigkeiten (Tag- und Nachtsituation) betrachtet.
 
Bei beiden Entwürfen sind die Lufttemperaturen am Tage recht hoch. Wesentlich bedingt ist dies durch die solare Einstrahlung sowie die Eigenschaften der Oberflächen; nur in abgeschatteten Innenhöfen und in Parkanlagen treten niedrigere Temperaturen auf. Außerdem kühlen die bebauten Bereiche nachts nicht so stark ab, wie z.B. Grünflächen oder Gleisanlagen.

Die bioklimatischen Verhältnisse werden durch die Kennwerte PMV und PET beschrieben und verhalten sich sowohl qualitativ als auch hinsichtlich der jeweils resultierenden Beurteilung ähnlich, wobei oft die PMV-Darstellungen mehr Struktur aufweisen als die PET-Darstellungen. Dies ist bedingt durch die höhere Sensitivität von PMV bezüglich der Eingangswerte. Sowohl beim Entwurf Jodry als auch beim Entwurf Trojan werden alle Beurteilungsstufen von behaglich bis heiß erreicht, nachts alle Stufen von behaglich bis kalt. Heiße Bereiche liegen meist in der prallen Sonne, die kühleren Bereiche sind abgeschattete Innenhöfe und Grünanlagen. Nachts kehren sich die Verhältnisse um: u.a. aufgrund der Abstrahlung der Gebäude bleibt die bioklimatischen Situation innerhalb der Bebauung behaglich, während z.B. Grünanlagen als kühl bis kalt empfunden werden. Aufgrund der geringeren Durchlüftung stellen sich beim Entwurf Trojan in Innenhöfen nachts höhere Temperaturen ein als beim Entwurf Jodry.
 
 
Beschattung
 
Für das gesamte beplante Untersuchungsgebiet wurden die Besonnungs- und Beschattungsverhältnisse aufgrund der bestehenden und geplanten Bebauung sowie der Geländehöhen für den Istzustand und die Entwürfe Jodry und Trojan betrachtet.
 
Für jede Variante wird ein dreidimensionales Gelände- und Gebäudemodell erstellt. Unter Berücksichtigung der täglichen Sonnenstände von Stuttgart findet eine Berechnung der Beschattung statt. Nachdem einheitliche Grenzwerte für die mögliche Besonnung nicht bestehen, orientiert sich die Beurteilung der Ergebnisse an den in der Literatur genannten Kriterien und Richtwerten. Für einen mittleren Wintertag und die Tag- und Nachtgleichen (Frühjahr, Herbst) wird eine flächenhafte Darstellung der bodennahen Verschattung zur Mittagszeit ausgewählt. Zudem liegen für 5 ausgewählte Punkte Horizontogramme vor, aus denen die ganzjährigen Besonnungsverhältnisse abzulesen sind.
 
Im Istzustand weist der gesamte Gleisbereich aufgrund fehlender Gebäude uneingeschränkte Sonneneinstrahlung auf. Bestehende Gebäude außerhalb der Bahnanlagen werden nicht durch diese beeinträchtigt. Die kompakte Blockbebauung mit Gebäuden bis zu 100 m Höhe beim Entwurf Jodry führt zu einer intensiven Verschattung der Innenhofbereiche und Straßenräume. Nur zwei Innenhofbereiche sind so groß, daß ab Frühjahr bis Herbst eine direkte Sonneneinstrahlung möglich ist. Im Winter finden sich nur wenige Bereiche mit direkter Sonneneinstrahlung. Der Entwurf Trojan weist eine kompakte Blockrandbebauung mit teilweise großräumigen Innenhöfen und Plätzen auf. In den Innenhöfen und auf den Plätzen ist größtenteils von Frühjahr bis Herbst eine direkte Besonnung in Bodennähe möglich. Im Winter reduziert sich die Besonnung auf kurze Zeiten in den Straßenräumen.
 
Die beispielhaft aufgezeigten Horizontogramme verdeutlichen, daß die mögliche tägliche Sonnenscheindauer während des Jahres bei den Planvarianten teilweise stark eingeschränkt ist. Die dichte Bebauung bei den Entwürfen Jodry und Trojan führen dazu, daß die Beurteilungswerte der zutreffenden DIN-Norm in Bodennähe teilweise nicht eingehalten werden.


 
 

© Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Umweltschutz, Abt. Stadtklimatologie