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75 Jahre Stadtklimatologie in Stuttgart (2013)


Historie der Stadtklimatologie


1. Medizinische Wurzeln des Arbeitsgebietes

In den entbehrungsreichen Jahren nach dem 1. Weltkrieg grassierte die Tuberkulose als Volkskrankheit Nr. 1. Im Zusammenhang mit der systematischen Bekämpfung der Tuberkulose, aber auch der seinerzeit weit verbreiteten Rachitis, von der vor allem Kinder wegen Vitamin-D-Mangels betroffen waren, erkannte man sowohl den Zusammenhang zwischen Mangelernährung und dem Krankheitsbefall als auch den Zusammenhang mit den Wohn- und allgemeinen Lebensumständen. Die sich daraus ergebende Forderung nach „Licht, Luft und Sonne“ wurde schließlich zum Synonym für gesunde Wohnverhältnisse und zugleich als wichtiges Heilmittel für die genannten Volksseuchen erkannt.

Mit den Anforderungen an Belichtung, Belüftung und Besonnung hat sich das Aufgabengebiet der Orts- und Umwelthygiene etabliert, dessen gesetzliche Grundlage die Dritte Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 03.07.1934 war („Schaffung, Erhaltung und Wiedererlangung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse“).


2. Meteorologische Wurzeln des Arbeitsgebietes

Die vergleichsweise junge geophysikalische Wissenschaft Meteorologie behandelt die Physik der gasförmigen Erde. Früher verstand man darunter einschränkend die „Wissenschaft vom Wetter und seiner Vorhersage“.


"Das Stadtklima" (Albert Kratzer)
Die Reihe meteorologischer Disziplinen wurde im Jahr 1937 durch die Stadtklimatologie ergänzt. Anlass dazu war das 1937 von Pater Albert Kratzer verfasste Buch mit dem Titel „Das Stadtklima“. Hier wurde zum ersten Mal systematisch der Zusammenhang aufgezeigt, dass Planen und Bauen in der Stadt die Qualität von Luft und Klima beeinflussen. Die Stadtklimatologie beruht auf der Anwendung meteorologischer Grundlagen, Arbeitsweisen und Erkenntnisse auf die durch Bauwerke geprägte Umgebung unter Einbeziehung der Luftschadstoffbelastung. Dabei hat sich herausgestellt, dass das Stadtklima wegen seiner geringen Maßstabsgröße mit der Maschenweite des regulären Welt-Wetter- und –Klima-Messnetzes nicht erfasst werden kann, so dass die Stadtklimatologie auf zusätzliche mikroskalige Informationen angewiesen ist.


3. Die Anfänge des Arbeitsgebietes Stadtklimatologie

Im Jahr 1938 beschloss der Stuttgarter Gemeinderat die Anstellung eines Diplom-Meteorologen, um Untersuchungen über die klimatischen Verhältnisse und deren Beziehung zum Städtebau vornehmen zu lassen. Zuvor war 1935 zur differenzierten Steuerung der Stadtentwicklung eine neue Ortsbausatzung erlassen worden, die das Stadtgebiet in 10 sog. Baustaffeln mit festgelegten Abstands-, Dichte- und Nutzungs-vorschriften aufgliedert. Die Schaffung des Arbeitsgebietes „Stadtklimatologie“ muss insbesondere vor dem Hintergrund der komplexen topographischen Situation der Stadt Stuttgart sowie der hier vorherrschenden Austauscharmut gesehen werden. In Verbindung mit dem milden Klima einer Weinbauregion resultiert das häufige Auftreten von thermischer Belastung bzw. Schwüle-Empfindung. Auch das zweite klimatisch-lufthygienische Handikap Stuttgarts ist auf die Windarmut zurückzuführen, nämlich das oftmals episodenhafte Ansteigen der Luftbelastung.

Das neue städtische Arbeitsgebiet wurde dem Chemischen Untersuchungsamt zugeordnet, welches schon seit 1869 bestand. Das Instrumentarium für lufthygienische Untersuchungen war im Vergleich zu heute viel geringer und berücksichtigte vor allem die Staubbelastung der Luft. Erfahrungen zur Messung von Schadgasen entstammten dem Gebiet des Arbeitsschutzes und der Arbeitsmedizin sowie der Bergbautechnik (Bewetterung und „Wetterschutz“ im Bergbau, Kampf gegen die „Staublunge“, allgemeiner Explosionsschutz). Einen Teil des Wissens über die Gasausbreitung und den Gasschutz hatten auch die Erfahrungen mit Kampfgas-Einsätzen des 1. Weltkrieges beigesteuert.


Das Chemische Untersuchungsamt der Stadt Stuttgart in der Stafflenbergstr. 81 im Jahre 1947 und 2000

Mit Kriegsbeginn 1939 wurde der städtische Meteorologe eingesetzt um Maßnahmen des Luftschutzes zu organisieren. Diese Maßnahmen beruhten in Stuttgart u. a. auf dem Gedanken, durch Erzeugung künstlichen Nebels angreifenden Bomben-Flugzeugen die damals noch erforderliche Sicht auf die Stadt als Zielobjekt zu nehmen – ein Konzept, das freilich nur bis zur umfangreichen Einführung des Radars in den späteren Kriegsjahren erfolgreich sein konnte.

Die Vernebelung geschah von unzähligen Punkten aus, die nach windklimatischen Gesichtspunkten ausgewählt wurden. Dabei ergaben sich Erkenntnisse über die Luftströmungsverhältnisse und die Be- und Entlüftungsmöglichkeiten der in Tallagen befindlichen Siedlungsbereiche. Man hatte nämlich festgestellt, dass sich die künstlich erzeugten Nebelschwaden in manchen Gebieten schneller als erwünscht wieder auflösten, während sie in anderen Stadtteilen ungewöhnlich lange erhalten blieben. Diese Sachverhalte wurden zutreffend mit der Ventilationswirkung der vielen im Stadtgebiet vorhandenen bodennahen Kaltluftabflüsse in Verbindung gebracht, die bei ruhigen Wetterlagen als nächtliche Hangabwinde, teilweise auch als mächtige Bergwinde in Erscheinung treten. Ihre topographisch bedingt bevorzugten Leit- und Abflussbahnen in der Landschaft wurden bald als Frischluftschneisen der Stadt bekannt.


Tracergas-Experimente, Kaltluftabfluss, markiert durch Rauchnebel

Dieser unfreiwillige stadtklimatische Großversuch hatte beachtliche Auswirkung auf die Stadtplanung, da es nun bei künftigen städtebaulichen Planungen der Stadt galt, die auf diese Weise erkannten stadtklimatisch bedeutsamen Frischluftschneisen in ihrer Funktion zu erhalten und soweit wie möglich weiter zu entwickeln.

Ein vergleichsweise aufschlussreiches Experiment wurde in Stuttgart erst wieder im August 1996 unter Anwendung von Tracer-Gas-Freisetzungen durchgeführt (siehe Abschnitt 5).


4. Die Entwicklung der Abteilung Stadtklimatologie in der Zeit unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg

Im bombenzerstörten Stuttgart ergab sich alsbald viel Gelegenheit, über Bauplanungen nachzudenken, sei es im Rahmen des Wiederaufbaus oder bei den Fragen zur Umgestaltung der Stadt.

Die erwähnten Beobachtungen über die Ventilationsbahnen der Stadt wurden als so bedeutsam für die Luftreinhaltung eingestuft, dass der Meteorologe Karl Schwalb beratend an der Entwicklung des General-Bebauungsplanes der Stadt von 1948 beteiligt wurde.

In jener Zeit mit ihrem Verständnis von einer zukunftsorientierten autogerechten Stadt fand aus meteorologischer Sicht die Planung breiter innerstädtischer Straßenschneisen ungeteilte Zustimmung. Vom Standpunkt der Durchlüftung hatte man damit sicher das Richtige entschieden, dabei jedoch die städtebaulichen Zerschneidungseffekte der Straßenzüge Theodor-Heuss-Straße, Hauptstätter Straße und Konrad-Adenauer-Straße mit ihren gewaltigen Verkehrsströmen falsch eingeschätzt.

Die lufthygienischen Themenbereiche entwickelten sich zunehmend, wobei in Stuttgart dieses – wie überall - wachsende Interesse aus einer meteorologischen Fragestellung herrührte: welche Bedeutung haben die Frischluftschneisen für die Luftreinhaltung und welche Folgerungen ergeben sich daraus für die Stadtplanung.

Die Dienstanweisung für die Durchführung der Aufgaben auf dem Gebiet der Klimatologie von 1953 sieht außer einer Aufzählung von klimatischlufthygienischen Untersuchungs- und Messaufgaben auch die Beratung des Bürgermeisteramtes, der Fachämter und der Bezirksämter in meteorologischen und klimatologischen Fragen sowie in Fragen der Lärmbekämpfung vor. Mit Letzterem wird ein weiteres zukunftsweisendes Aufgabengebiet der klimatologischen Abteilung gegründet.


5. Die Weiterentwicklung zu einem Bereich des Umweltschutzes

Systematische Messungen zur Schadstoffbelastung der Luft reichen in Stuttgart bis in das Jahr 1965 zurück. Sie umfassten zunächst die Komponenten Schwefeldioxid (SO2) und Staubniederschlag, welche seinerzeit als Leitsubstanzen der Luftverunreinigung galten und auch mit einfacher Technik verhältnismäßig leicht nachzuweisen waren. So besteht auf der Grundlage von Langzeitmessungen bezüglich des Schwefeldioxids und des Staubniederschlags ein vergleichsweise hoher Wissensstand.

1974 erfolgte die Inbetriebnahme eines Kohlenmonoxid(CO)-Messplatzes am Charlottenplatz in Ergänzung zu den fortgesetzten Schwefeldioxid-Messungen (Rathaus und Stafflenbergstraße) und den Staubniederschlagsmessungen (zwischen 39 und 62 Messpunkte). Mit der CO-Messreihe vom Charlottenplatz (Jan. 1974 bis Aug. 1976) rückt erstmals die kraftfahrzeugbedingte Schadstoffbelastung der Luft ins Blickfeld. Bei der Auswertung dieser Messreihe dürfte es sich bundesweit um einen der ersten systematischen Berichte über die von nun an wichtigste Quellengruppe urbaner Luftschadstoffe handeln.

In den frühen 70er Jahren wird die Methode der Infrarot-Thermographie für stadtklimatische Untersuchungen erforscht und zunächst für das in Planung begriffene „Löwentorzentrum“ praktisch umgesetzt.

Auf Grund der dadurch gewonnenen Erfahrungen wurden daraufhin das gesamte Stadtgebiet umfassende infrarot-thermographische Messflüge in Auftrag gegeben, deren Durchführung jedoch aus verschiedenen Gründen den Erwartungen nicht entsprach und eine nur unzureichende Auswertung zuließ.

Eine Wiederholung der infrarot-thermographischen Messflüge 1976 verlief indessen erfolgreich und ermöglichte eine entsprechende Auswertung. Diese Arbeit wird 1978 in der Reihe „Beiträge zur Stadtentwicklung“ unter dem Titel „Daten und Aussagen zum Stadtklima von Stuttgart auf der Grundlage der Infrarot-Thermographie“ veröffentlicht. Die Arbeit hatte Bedeutung für den seinerzeit in Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplan 1990.


Infrarot-Thermografie von Stuttgart (links: Morgensituation, rechts: Abendsituation)

In die Zeit der frühen 70er Jahre fällt der zunehmende Bekanntheitsgrad des Begriffs „Umweltschutz“. Es kommt zur Gründung des Umweltbundesamtes und die Umweltschutzgesetzgebung erfährt wichtige Erweiterungen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz tritt 1974 in Kraft, welches neben anlagenbezogenen Vorschriften auch gebietsbezogene Regelungen umfasst und mit § 50 einen wichtigen Grundsatz des planerischen Umweltschutzes formuliert.

Gleichzeitig nimmt auch das Interesse an Fragen der Stadtklimatologie zu. Am 1. Januar 1977 ist eine Neufassung des Bundesbaugesetzes in Kraft getreten. In § 1, Abs.6 werden dort als Ziele und Grundsätze der Bauleitplanung u. a. die Berücksichtigung der Belange des Umweltschutzes sowie die Erhaltung und Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen genannt, insbesondere des Bodens, des Wassers, des Klimas und der Luft. Damit wurden „Luft und Klima“ in den Rang von Planungsfaktoren erhoben.

Das Planverfahren für den Flächennutzungsplan 1990 erforderte zahlreiche Stellungnahmen und Begutachtungen im Zusammenhang mit strittigen Baugebieten. Seinerzeit bestand in Form des Nachbarschaftsverbandes Stuttgart ein kommunaler Zweckverband. Er hatte die Aufgabe, für das Verbandsgebiet (Stadt Stuttgart und angrenzende Gemeinden) einen gemeinsamen Flächennutzungsplan auszuarbeiten. Der damit verbundene erhebliche Abstimmungsaufwand wurde jedoch durch ein gut durchdachtes, auf die Belange jeweils benachbarter Gemeinden abgestimmtes Planwerk belohnt.

In zunehmendem Umfang kam Verbrennungsverboten – zunächst jeweils separat begründet – im Zusammenhang mit den Bebauungsplänen der Stadt Bedeutung zu. Die Maßnahme der Verbrennungsverbote bewirkte, dass Stuttgart von den für die 70er Jahre typischen feuerungsbedingten Smogereignissen bis auf eine Ausnahme verschont blieb. Die Verbrennungsverbote gingen 1991 in eine das gesamte Stadtgebiet umfassende Satzung zur beschränkten Verwendung luftverunreinigender Brennstoffe über. Diese Satzung wurde durch Beschluss des Gemeinderats vom 18. März 2004 ersatzlos aufgehoben.

Eine erste „Mehrkomponenten-Luftmessstation“ konnte für die Messobjekte Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Staubgehalt der Luft und Staubniederschlag sowie Windrichtung und Windgeschwindigkeit im Jahr 1977 für die Dauer eines Jahres eingerichtet werden. In Zusammenarbeit mit der Universität Stuttgart konnte erstmals auch die Summe der Stickoxide (NOx) gemessen werden.


Mehrkomponenten-Messstation in S-Vaihingen (1980)
Die „Mehrkomponenten-Messstation“ wurde 1979 technisch erweitert. Damit hatte das Chemische Untersuchungsamt die erste Einrichtung dieser Art in Stuttgart mit vollständiger elektronischer Datenerfassung in Betrieb genommen. Im Jahr 1980 wurde der erste Computer für die Datenauswertung angeschafft. Der Einsatz dieser Anlage erforderte ein eigenes kleines Arbeitszimmer – bei einer Leistungsfähigkeit, die heute von jedem PC/Notebook überboten wird!

Im Jahr 1981 werden vier Stuttgarter Immissionsmessstationen im Rahmen des „Vielkomponenten-Luftmessnetzes Baden-Württemberg“ von der Landesanstalt für Umweltschutz (LfU) betrieben. Im Juni 1981 konnte ein bauartähnlicher stadteigener Messcontainer in Ergänzung vorhandener Einrichtungen als somit fünfte moderne Luftmessstation in Dienst gestellt werden.

Der Januar 1982 war durch eine gravierende austauscharme Wetterlage geprägt, welche die Luftverschmutzung erheblich ansteigen ließ. In Stuttgart wurde auf Grund eines überhöhten Smog-Indexwertes vom seinerzeit zuständigen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung die Smog-Vorwarnstufe ausgerufen. Es war dies das erste und zugleich letzte Mal, dass in Stuttgart die Smog-Verordnung mit ihren insgesamt drei Alarmstufen überhaupt wirksam werden musste. Die Klimatologische Abteilung profitierte von diesem Ereignis insofern, als neuerliche Erweiterungen der messtechnischen Ausstattung u. a. mit einem Luftmessfahrzeug bewilligt wurden.

Der damalige Leiter der klimatologischen Abteilung, Herr Prof. Dr. Baumüller, wurde im November 1984 von der UN-Weltorganisation für Meteorologie (WMO) zur Konferenz „Stadtklimatologie und ihre Anwendungen“ nach Mexiko zu einem Vortrag zum Thema: „Die Einbindung der Klimatologie in die Stadtverwaltung und Stadtplanung der Stadt Stuttgart“ eingeladen. Die Konferenz fand bereits damals im Rahmen eines Welt-Klimaprogramms statt. Von nun an häuften sich Vortragsreisen und internationale wissenschaftliche Kontakte insbesondere nach Japan. Umgekehrt kam es zu Gegenbesuchen verschiedenster Delegationen aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung. Dieser Gedankenaustausch schärfte den Blick auf für sich anbahnende globale Klimazusammenhänge und lokale Problemlösungsmöglichkeiten.

Die LfU führte 1985/1986 die erste flächendeckende Emissionserfassung sowie ein Immissionsmessprogramm im Untersuchungsgebiet Stuttgart durch. Die Ergebnisse der mobilen Messpunkte waren die Grundlage des Immissionskatasters, welches die Landeshauptstadt mit 139 Beurteilungsflächen (von je 1 km² Ausdehnung) umfasst. Damit konnte zum ersten Mal die räumliche Verteilung der Schadstoffbelastung im Stuttgarter Stadtgebiet flächendeckend beurteilt werden.

Im Zusammenhang mit der Aufgabe des Wetteramts-Standortes in Stuttgart-Mitte wurde dort von der Klimatologischen Abteilung 1985 ein neuer Messstandort geplant, um weiterhin über meteorologisch-lufthygienische Informationen aus der Innenstadt verfügen zu können. Seit dem 1. Januar 1986 werden halbstündliche Mittelwerte der wichtigsten Luftdaten online zur Abteilung übermittelt. Seit 1997 können die aktuellen Daten auch über das Internet abgefragt werden.


Vielkomponenten-Messtation S-Mitte (Schwabenzentrum) seit 1986

Aktuelle Messwerte der Station "Schwabenzentrum"

Das Jahr 1988 brachte mit der Gründung des „Amtes für Umweltschutz“ wichtige Veränderungen: Das neue Amt wurde durch Zusammenführung verschiedener Arbeitsgebiete und Abteilungen gebildet, die zuvor im Bereich anderer städtischer Ämter mit Umweltschutzaufgaben betraut waren. Im Zuge dieser organisatorischen Maßnahmen wurde das Chemische Untersuchungsamt aufgelöst, um in das Umweltamt integriert zu werden. Die Klimatologische Abteilung kam in dieses Amt als „Abteilung Stadtklimatologie“, was eine weniger missverständliche Namensgebung als zuvor darstellt.

Im Jahr 1988 beginnen wichtige Arbeiten für die Fortschreibung des Flächennutzungsplanes (FNP) für das Zieljahr 2010. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch der Nachbarschaftsverband Stuttgart, dessen zukunftsweisender fortschrittlicher Ansatz der Zusammenarbeit mit Gründung des „Verbands Region Stuttgart“ leider nicht mehr weiter verfolgt wurde. Der Vorschlag, mit diesen Arbeiten federführend die Abteilung Stadtklimatologie zu beauftragen, wurde von den Nachbargemeinden befürwortet. Vor dem Hintergrund mancher Meinungsunterschiede der Gemeinden gegenüber der dominierenden Landeshauptstadt bzgl. grenznaher Baulandausweisungen war dies als besonderer Vertrauensbeweis in die Arbeit dieser Stuttgarter Institution zu werten.

Für die Bearbeitung des Klima-Atlasses – so bald der griffige Name für die Klimauntersuchung - wurden 1988 neue Infrarot-Thermographie-Messflüge durchgeführt. Diese haben zu Daten- bzw. Bildmaterial bisher unbekannter Qualität geführt, sowohl was die räumliche Auflösung als auch eine weitgehend gelungene Entzerrung betraf, was die Auswertung des Bildmaterials sehr erleichtert hat.

In der Zeit von Mai 1988 bis April 1989 wurde ein temporäres Messnetz unterhalten. Diese Temperatur-, Feuchte- und Windmessungen an 12 Stationen waren in ein neu entwickeltes regionales Klimamodell eingespeist worden. Zu diesem Zweck berücksichtigten die Messstandorte unterschiedliche Höhenlagen, verschiedene topographische Formen (Tallagen, Hanglagen und Kuppen) sowie unterschiedliche Formen der Landnutzung. Als Ergebnis konnten erstmals flächendeckende KlimaÜbersichtskarten des Verbandsgebietes erstellt werden.
Dazu kamen abgestimmte Klima-Analyse-Karten sowie die als ziemlich „heikle“ Unternehmung eingeschätzte Erstellung sog. Planungshinweiskarten, die sich mit den einzelnen Flächennutzungs-Planungen der Gemeinden auch durchaus kritisch auseinandersetzen. Entgegen aller Befürchtungen wurden gerade diese Planungshinweise von den Gemeinden als Arbeitshilfe lobend anerkannt. Auch der Stuttgarter Gemeinderat hat den Beschluss gefasst, dass die Ergebnisse der Klimauntersuchung bei zukünftigen Planungen berücksichtigt werden.

Im Jahr 1990 werden die immissionsschutzrechtlichen Randbedingungen bei der Beurteilung von Luftschadstoff-Immissionen geändert. Aufgrund darauf beruhender Möglichkeiten für verkehrsplanerische, verkehrslenkende und verkehrsbeschränkende Maßnahmen, wird für Stuttgart vom zuständigen Umweltministerium ein erster Luftreinhalteplan erlassen. Eine Besonderheit dieses Luftreinhalteplans bestand in der Konzeption eines Systems von Geschwindigkeitsbeschränkungen für verschiedene Straßentypen der Stadt, die sog. „Stuttgarter Tempo-Pyramide“. Der deutlich vorhandene lufthygienische Minderungseffekt der Maßnahme wurde jedoch auf Grund verkehrstechnischer Überlegungen in Frage gestellt, so dass hier für den nachfolgenden Luftreinhalteplan eine abgeschwächte Form des Tempolimits wirksam wurde.

Die 1993 in Stuttgart veranstaltete Tagung „Mettools II“ des Arbeitsausschusses Umweltmeteorologie (AKUMET) der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft führte zur Idee, den Tagungsteilnehmern in Form einer stadtklimatologischen Stadtrundfahrt die topographischen und klimageographischen Verhältnisse Stuttgarts nahe zu bringen.

Die Rundfahrt, für die eine Begleitbroschüre ausgearbeitet wurde, hat sich bei dem fachkundigen Publikum der Tagungsteilnehmer als großer Erfolg erwiesen. Speziell die Besuchergruppen aus fernöstlichen Ländern zeigen großes Interesse für die Problematik der Luftreinhaltung. Dabei ist die Tendenz unverkennbar, dass von den aufstrebenden Industrienationen des fernen Ostens intakte Umweltbedingungen als wichtiger Standortfaktor der Wirtschaft betrachtet werden.

Um die prinzipiell bekannte Wirkung kleinräumiger Luftaustauschprozesse in Stuttgart quantifizieren zu können, fand 1996 ein stadtweites Tracergas-Experiment statt. Die Ablass-Stelle befand sich dabei in Stuttgart-Süd, im Kaltluft-Einzugsbereich des Nesenbachtales. Die Ausbreitung des Gases konnte in der Messnacht bis in den entferntesten Teil des Nordbahnhof-Areals beobachtet werden. Die Kartierung von Ausbreitungswegen und -geschwindigkeiten sowie die punktuell ermittelten Gas-Konzentrationen fügten sich in das Bild des nächtlichen großvolumigen „Kaltentaler“-Bergwindes. Es konnte gezeigt werden, dass dieses lokale Windsystem entgegen früherer Annahmen auch in den Bereich des Stadtbezirks Stuttgart-West überzugreifen im Stande ist, wobei die sattelartige Geländepartie zwischen Hasenberg und Karlshöhe eine wichtige Rolle spielt.

Zu einer Wiederholung der Messkampagne kam es 1997. Dazu wurde das Tracergas-Experiment erheblich ausgeweitet, so dass nun drei verschiedene Gase gleichzeitig freigesetzt werden konnten. Die Ablass-Stellen berücksichtigten die Strömungsbedingungen im Stadtbezirk Stuttgart-Nord, wo die Planungen für „Stuttgart 21“ große städtebauliche Veränderungen erwarten lassen. Auch dieser Versuch erfüllte alle Erwartungen und ließ quantifizierbare Aussagen zu, wo bisher nur verbal-argumentative Positionen vertreten werden konnten.


6. Die jüngere Vergangenheit


Weitere Infos zu KLIKS
Die Abteilung Stadtklimatologie erhält im Jahr 1995 mit dem Beitritt der Stadt zum Klimabündnis das neue Aufgabengebiet des globalen Klimaschutzes. In diesem Zusammenhang wurde die Entwicklung eines Klimaschutzkonzeptes für Stuttgart (KLIKS) beschlossen. Dies soll durch die Verhinderung eines weiteren Anstiegs klimaschädlicher CO2-Emissionen erreicht werden, welche zum großen Teil durch die Verbrennung fossiler Energieträger entstehen. Demzufolge beinhaltet KLIKS Maßnahmenszenarien zur Energieeinsparung in allen Bereichen des städtischen Umfeldes, die kontinuierlich fortzuschreiben und zu bilanzieren sind. Für die erfolgreichen Bemühungen um den Klimaschutz wurde die Stadt 2004 mit dem „Climate Star“ des Klimabündnisses europäischer Städte ausgezeichnet.

Das Jahr 1996 steht im Zusammenhang mit gleich zwei wichtigen Projekten bzw. Daueraufgaben der Abteilung Stadtklimatologie:

1996 beginnt mit dem Pilotprojekt Lärmminderungsplan Vaihingen der Einstieg in das neue Arbeitsgebiet „Lärmminderungsplanung“, das auf der gesetzlichen Anforderung des damaligen § 47 a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beruht. In Folge werden die Lärmminderungspläne Vaihingen (Mai 2000), Zuffenhausen (November 2003) und Bad Cannstatt (Juni 2008) aufgestellt und vom Gemeinderat beschlossen. Mit der EU-Umgebungslärmrichtlinie des Jahres 2002 (umgesetzt in nationales Recht 2005) ändert sich die Rechtsgrundlage. Nach Fertigstellung und Veröffentlichung der Lärmkarten 2007 wurde der daraufhin für das gesamte Stadtgebiet aufgestellte Lärmaktionsplan im November 2009 vom Gemeinderat beschlossen. Gemäß den gesetzlichen Vorgaben müssen die Schritte der Lärmminderungsplanung (Lärmkarten, Aktionspläne) nach jeweils fünf Jahren aktualisiert werden. So wurden die Lärmkarten 2012 aktualisiert. Die Aktualisierung des Aktionsplanes erfolgt 2014.

Die Planungen für das Eisenbahn- und Städtebauprojekt „Stuttgart 21“ erfordern im Jahr 1996 die Bearbeitung bzw. Betreuung zahlreicher stadtklimatischer und schalltechnischer Untersuchungsaufträge. Die Berichte externer Gutachten werden in einer eigens dafür aufgelegten Schriftenreihe des Amtes für Umweltschutz „Untersuchungen zur Umwelt - Stuttgart 21“ veröffentlicht. Die Abteilung Stadtklimatologie war im Vorfeld der Planung „Stuttgart 21“ bereits im Rahmen einer Machbarkeitsstudie in Form von Stellungnahmen zu ersten Architekturentwürfen beteiligt worden. Zur Auslobung des Rahmenplanentwurfs hat die Abteilung eine Informationsmappe zusammengestellt, die Auskunft gibt über die stadtklimatischen Randbedingungen und die im Entwurf zu berücksichtigenden stadtklimatischen Eckpunkte der Planung. Diese Initiative hat sich im Sinne der Stadtklimatologie als sehr erfolgreich erwiesen, da die meisten der eingereichten Wettbewerbsentwürfe nachvollziehbare Bemühungen erkennen ließen, die stadtklimatologischen Vorgaben zu berücksichtigen.

Es wurde zum ersten Mal für das gesamte Stadtgebiet Stuttgarts eine digitale Windfeldsimulation auf Basis eines aerodynamischen Windfeldmodells berechnet, in das zusätzlich ein Kaltluftflussmodell integriert wurde. Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Modellberechnungen erwiesen sich als derart vielseitig, dass diese 1997 zur Grundlage eines „Stadtklima-Informationssystems“ gemacht wurden. Dieses Informationssystem erhielt den gleichermaßen zukunftsweisenden Namen „Stadtklima 21“. Es wurde durch Einbeziehung weiterer Systemkomponenten kontinuierlich bis zum heutigen Entwicklungsstand weiterentwickelt
(5. Version, 2008).

Beim Wechsel in das neue Jahrhundert kamen große Veränderungen im Bereich der Luftreinhaltung: Durch die EU-Richtlinie zur Einhaltung einer bestimmten Luftqualität werden verbindliche Vorgaben über die Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität sowie über Grenzwerte von Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft festgelegt. Damit bestehen auf einem wesentlich niedrigeren Grenzwertniveau völlig neue Regelungen zur Luftreinhaltung.

Ein im Dezember 2005 vom Regierungspräsidium Stuttgart aufgestellter Luftreinhalte-/Aktionsplan enthält insgesamt 36 Einzelmaßnahmen. Eine Fortschreibung des Aktionsplanes im Jahr 2010 bringt die Wiedereinführung eines (erweiterten) Lkw-Durchfahrtsverbotes sowie das stufenweise zeitliche Vorziehen von Fahrverboten in der Umweltzone, Geschwindigkeitsbeschränkungen und Verkehrsverflüssigungen. Die Abteilung Stadtklimatologie koordiniert in der Stadt die Maßnahmensetzung.

Seit dem Hitzesommer 2003 gewinnen Maßnahmen zur Anpassung an den unvermeidbaren Anteil des Klimawandels an Bedeutung. Unter der Federführung der Abteilung Stadtklimatologie wurde 2012 KLIMAKS, das Klimawandelanpassungskonzept Stuttgart fertiggestellt.

Weitere Informationen zu KLIMAKS

Stuttgarts lange Tradition in Klimaanpassung durch Begrünungen und Frischluftschneisen in der Planung wurde 2011 mit der Auszeichnung „Klimawandelanpassungspionier“ gewürdigt. (Preise und Auszeichnungen)

Die Abteilung Stadtklimatologie ist seit den 90er Jahren auch in EU-Projekten engagiert, z. Zt. im EU-Projekt UHI (Urban Heat Island) zur weiteren Erforschung der städtischen Wärmeinsel. In einem vom Land Baden-Württemberg geförderten Projekt (HITWIS) geht es um die Optimierung der Hitzewarnungen in Stuttgart.

Noch im Jubiläumsjahr 2013 wird mit dem Stadtklima-Viewer in Zusammenarbeit mit dem Stadtmessungsamt umfangreiches stadtklimatisches Datenmaterial für die Öffentlichkeit in Gis-basierten Karten im Internet zur Verfügung stehen.

Das Interesse an der Stadtklimatologie in Stuttgart ist über die Grenzen der Stadt hinaus groß. So gibt es viele internationale Kontakte im europäischen Ausland, aber auch nach Japan, Südkorea, Brasilien, Hong Kong. 2012 erschien ein Buch zum Stadtklima für den chinesischen Markt mit einem Beitrag der Stuttgarter Stadtklimatologie.

Download der Dokumentation "Historie der Stadtklimatologie" (pdf)


 
 

© Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Umweltschutz, Abt. Stadtklimatologie